Kreuzheben: Absetzen oder nicht? Was bringt deinem Training mehr?

Wer heutzutage so mutig ist, seine Leistungen in Sachen Kraftsport öffentlich im Internet zu zeigen (z.B. auf YouTube), der kann sich extremer Kritik und teilweise abstoßender Häme sicher sein – egal wie stark seine Leistung, egal wie versiert die Person als Sportler ist. Oft genug ist es die vermeintlich falsche Übungsausführung, die ins Kreuzfeuer der Kritik gerät. Und gerade beim Kreuzheben gibt es sowohl im Studio als auch im Internet immer heftigen Streit über die Frage: Darf man das Gewicht zwischen den Wiederholungen absetzen oder nicht? Vielleicht hast du darauf deine eigene Antwort. Aber bist du dir sicher, dass es wirklich die richtige ist?

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Der Streitpunkt

Erst mal muss klar sein, um was es genau geht – du hast beim Kreuzheben zwei Möglichkeiten, die Abwärtsbewegung zu beenden:

Die eine sieht so aus, dass du nach jeder Wiederholung die Hantel wieder komplett auf dem Boden ablegst. Du lässt zwar die Hände an der Stange, aber das gesamte Gewicht ruht vollständig auf dem Fußboden. Du musst keine Kraft aufwenden, denn die Hantel mit den Scheiben liegt einfach nur so rum. Um jetzt die nächste Wiederholung zu machen, fängst du sozusagen komplett vorn neuem an und musst das Gewicht den ganzen Weg vom Boden weg wieder nach oben bringen. Jede einzelne Wiederholung ist wie die erste.

Bei der anderen Möglichkeit musst du das Gewicht in der Abwärtsbewegung abbremsen. Du gehst runter ,bis die Gewichtscheiben der Hantel den Boden berühren, aber du arbeitest mit deinen Muskeln weiterhin gegen die Schwerkraft an. Du legst die Hantel nicht auf dem Boden ab, sondern kehrst am tiefsten Punkt der Übung deine Abwärtsbewegung in eine Aufwärtsbewegung um und machst ohne Pause die nächste Wiederholung.

Beide Versionen haben Ihre Vorteile.

Absetzen – Maximalleistung

Die Tatsache, dass du jede Wiederholung von neuem beginnst (und sozusagen einen Satz mit mehreren Einzelwiederholungen machst) erlaubt es dir, deine Körperhaltung zu Beginn jeder Wiederholung immer wieder neu aufzubauen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das macht es dir sehr leicht, jede Wiederholung in korrekter Form auszuführen.

Korrekte Übungsform bedeutet, dass die richtigen Muskeln in vollem Umfang arbeiten und du dich nicht verletzt.

Außerdem wirst du durch ständiges Ablegen und Neuanfangen besser darin, schwere Maximalwiederholungen auszuführen. Denn das Gewicht aus der völligen Ruhe zu heben, ist eine ganz andere Kraftanstrengung, als wenn du kontinuierlich Wiederholungen ohne Unterbrechung runter reißt. Wenn du das Gewicht zwischen den Wiederholungen nicht vollständig auf dem Boden absetzst, kannst du nämlich den sog. Dehnungsverkürzungszyklus deiner Muskeln nutzen.

Damit ist gemeint, dass deine Muskeln bei einer Abwärtsbewegung wie eine Stahlfeder Bewegungsenergie in ihrem Gewebe speichern, die bei einer abrupten Bewegungsumkehr (Gewicht geht wieder nach oben) genutzt werden kann und es dir etwas leichter macht, die Hantel gegen die Schwerkraft zu heben. Beim Dehnungsverkürzungszyklus kommt außerdem hinzu, dass – wenn deine Muskeln exzentrisch arbeiten (d.h. sie unter Last länger werden, wie es bei der Abwärtsbewegung des Kreuzhebens der Fall ist) unmittelbar bevor sie konzentrisch arbeiten (also sich unter Last zusammenziehen) – mehr Muskelfasern zum Heben des Gewichts zum Einsatz kommen.

All diese Vorteile hast du beim ständigen Absetzen des Gewichts nach jeder Wiederholung wie gesagt nicht und musst lernen, es aus der Ruhe heraus zu bewegen. Das kommt dir besonders zugute, wenn du dich für Kraftdreikampf interessierst. Kreuzheben ist bei diesem Kraftsport neben Kniebeuge und Bankdrücken die dritte Disziplin. Bei einem Wettkampf hast du für jede Übung drei Versuche, um so viel Gewicht wie möglich mit einer Wiederholung zu bewegen (ähnlich wie im Gewichtheben). D.h. beim Kreuzheben liegt die Hantel jedes Mal schwer und störrisch auf dem Boden rum und du musst sie aus dem völligen Stillstand bewegen.

Nur um es deutlich zu machen: Wenn ich schreibe, dass du nach jeder Wiederholung das Gewicht absetzt und wieder von vorne anfängst, meine ich nicht, dass du da groß Pause machst. Auch mit Absetzen folgt eine Wiederholung flott auf die nächste: Hantel absetzten, Hände bleiben an der Stange, Oberkörper ist vorgebeugt, Beine eingeknickt, dann kurz Luft holen, Ausgangsposition wieder einnehmen und hoch mit der Hantel.

Nicht absetzen – Konstante Spannung

Neben dem oben beschriebenen Dehnungsverkürzungszyklus ist bei der Kreuzheben-Variante ohne vollständiges Absetzen der Hantel ein anderes entscheidendes Merkmal die Tatsache, dass deine Muskeln den ganzen Satz über unter Spannung bleiben.

Da du bei jeder Wiederholung ohne Unterbrechung das Gewicht gegen die Schwerkraft anhebst, müssen deine Muskeln konstant arbeiten. Das verschiebt den Fokus der Übung eher weg von der Entwicklung deiner Maximalkraft hin zur Ausbildung deiner Kraftausdauer. So kannst du auch verstärkt von Muskelwachstum profitieren, da dieses deutlicher von konstanter Last ausgelöst wird, als von schweren Einzelwiederholungen.

Bitte beachte, dass dies keine absolute Aussage ist. Egal, ob du während eines Satze über alle Wiederholungen hinweg deine Muskeln unter Spannung hältst oder sie in schweren Einzelanstrengungen forderst, beide Male werden Maximalkraft und Muskelwachstum gesteigert bzw. angeregt. Nur die Gewichtung der Effekte ist bei beiden verschieden stark ausgeprägt.

Und wenn wir schon bei Klarstellungen sind: Ich verstehe unter Kreuzheben ohne Absetzen, dass du die Hantel kontrolliert absenkst und am untersten Punkt der Bewegung die eisernen Hantelscheiben kurz den Boden berühren. Ich verstehe darunter nicht, dass du eine mit Gummischeiben (sog. Bumper-Plates) beladene Stange auf einem mit Gummimatten ausgelegten Hallenboden abdopsen lässt und dir so den halben Weg der Bewegung sparst, weil das Gummi die Hantel schön springen lässt – niemanden interessier,t wie viel Gewicht du dopsen lassen kannst, ok?

So macht du´s richtig

Beide Varianten haben also Vorteile für dein Training. Aber welche davon bringt dir jetzt mehr?

Ehrlich gesagt: Es ist nicht so wichtig!

Was wirklich zählt ist, dass du stärker wirst. Wenn du 180 kg einmal bewegen kannst und irgendwann 200 kg schaffst, bist du stärker geworden. Wenn du 140 kg zehn Mal hebst und du dich hocharbeitest auf zehn Wiederholungen mit 150 kg, dann bist du stärker geworden. Mit oder ohne Absetzen.

Eine Tatsache die so mancher Kritiker auf YouTube im Hinterkopf behalten sollte, wenn er wieder heftig in die Tasten greifen und einen ätzenden Kommentar über einen starken Sportler raushauen will.

Je nachdem welche Ziele du hast und in welchem Trainingsstadium du dich befindest, kann aber die eine oder die andere Variante dir etwas mehr bringen. Das ist auch der Grund, warum ich für Anfänger das Kreuzheben mit Absetzen empfehle. Denn solange deine Kontrolle über alle Aspekte der Bewegung noch nicht perfekt ist (Körperhaltung, Spannung im Rumpf, Kontrolle bei der Abwärtsbewegung u.ä.) ist es viel leichter und sicherer, vor jeder Wiederholung erneut die Ausgangsstellung einzunehmen und dich auf deine Körperhaltung konzentrieren zu können.

Wenn du aber fortgeschrittener bist und deine Übungsausführung sicherer, kannst du den Fokus z.B. mehr auf Muskelwachstum legen und Kreuzheben ohne Absetzen in dein Trainingsprogramm einbauen.

Meine Version

Ich z.B. handhabe es so, dass ich Kreuzheben zum einen als Haupt- und manchmal zusätzlich noch als Assistenzübung betreibe. Bei ersterem sind die Gewichte hoch, die Wiederholungszahl niedrig und ich setze das Gewicht nach jeder Wiederholung ab. Und selbst wenn ich in diesem Zusammenhang versuche, mit einem hohen Gewicht so viele Wiederholungen wie möglich zu machen und in den zweistelligen Bereich vorstoße, versuche ich immer sauber abzusetzen.

Mache ich Kreuzheben dagegen als Assistenzübung, will ich die Bewegung mit niedrigeren Gewichten oft üben und ein bisschen Fleisch auf Rücken, Gesäß und Beinrückseite packen. Und das geht am besten mit vielen Wiederholungen, konstanter Spannung und ohne Absetzen.

Deine Entscheidung

Bist du also Anfänger, ist Kreuzheben mit Absetzen also sehr zu empfehlen. Wenn du dein Training aber später mal selbst planen willst, dann werde dir klar, was du willst und wähle deine Übungen entsprechend.

Hau rein,
Max.

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Kommentare (6)

  1. Thomas Franck 16. Januar 2016 um 10:58 Uhr

    Eine fundierte Erklärung, wieder was gelernt, Danke!

    • Max 16. Januar 2016 um 15:31 Uhr

      Freut mich, wenn ich helfen konnte.

  2. Flo 2. Juli 2017 um 13:27 Uhr

    Danke dir für die blogs bin ein richtiger anfänger und hab schon länger nach sowas hier gesucht da jch on den übungen echt nicht soviel ahnung habe. Hab mir dazu noch videos angeguckt wie ich das heben soll!. Du motivierst mich enorm mit den blogs bin jetzt ca 2 wochen am trainieren!. Macht enorm spaß dank dieser hilfen hier !

    Lg Flo

    • Max 3. Juli 2017 um 10:00 Uhr

      Hi Flo,

      danke für deinen Kommentar, freut mich sehr, wenn dir der Blog weiterhilft. Viel Erfolg.

      Max

  3. Michael 21. Dezember 2017 um 14:16 Uhr

    Ja ich bin auch „Anfänger“ und habe mich mit Kreuzheben bislang schwer getan. Ich kann das Absetzen sehr empfehlen. Denn mein Hauptproblem ist einfach die Griffkraft. Vom Rücken her würde mehr gehen, auch von den Oberschenkeln her. Aber sowohl die Unterarme, als auch die Oberarme sind da bei mir so, dass wenn ich zwei Wiederholungen am Stück durchziehe, dass mir die Hantel manchmal einfach rausrutscht.
    Daher ist bei mir Kreuzheben die erste Übung am Tag. Auch noch vor Kniebeugen. Ob mir bei einer anderen Übung dies irgendwann passiert, weil die Griffkraft nachlässt ist egal. Hauptsache beim Kreuzheben und Kniebeugen habe ich keine Probleme.
    Ich trainiere auch extra die Griffkraft. Wenn es jemand hilft, an der Übung Farmer’s Walk geht einfach nichts dran vorbei. Woran es bei mir liegt kann ich nicht sagen. Sowohl Schulterdrücken, Klimmzüge, Trizepsdrücken und Bizepscurls sind im Verhältnis zum Kreuzheben (laut Tabellen) sehr stark ausgeprägt. Ich bin aber mit 1,60 auch sehr klein und habe eine sehr kleine Hand. Ich kann die Hantelstange gerade so umschließen. Denke da geht auch viel Kraft verloren. Keine Ahnung.
    Ansonsten wenn ich das Gefühl habe, dass die Griffkraft so stark nachgelassen hat, dann halte ich nicht nur den Griff sondern drehe meinen Kreuzgriff auch. Da lässt man dann komplett ab für wenige Sekunden. Etwas weniger ideal, aber so lange man sich noch steigern will, sollte man dies auch mal austesten. Es gilt definitiv, dass man alles machen darf außer zu stagnieren.
    Hoffe ich kann hiermit auch noch einigen Lesern helfen.

    Liebe Grüüße
    Michael

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