Was Intensität wirklich bedeutet: wahrscheinlich etwas anderes als du denkst
Intensiv – ich bin mir sicher, die meisten von uns sind überzeugt, dass genau dieses Attribut eine passende Beschreibung ihres Trainings darstellt. Wer will schon ein Weichei sein? Aber leider wird mit diesem Begriff etwas zu häufig um sich geschmissen. Und dann auch noch ohne zu wissen, dass es nicht nur eine Definition von Intensität gibt.
Das Gefühl
Umgangssprachlich dürfte Intensität in den meisten Studios als der Grad der Anstrengung verstanden werden, den dir dein Training abverlangt. Wie sehr man ins Schwitzen gekommen ist, wie anspruchsvoll die Übungen waren, die man gemacht hat und was man generell für ein harter Kerl am Eisen ist – diese oder ähnliche Punkte (vor allem in Äußerungen anderen gegenüber) werden als Kriterien für ein intensives Training gesehen.Von dieser Art der Definition von Intensität halte ich nicht viel und ich denke, du profitierst davon, es auch nicht zu tun. Dein Empfinden, dein Gefühl ist rein subjektiv und kein guter Maßstab für irgend eine Variable deines Trainings. Und das aus zwei Gründen:
1. Es ist kein Training
Du sollst trainieren und nicht pumpen: Training ist ein planvoller Prozess, der dich über eine gewisse Zeitspanne hin zu einem Ziel führen soll – in deinem Fall zu bestimmten Gewichten und Kraftwerten. Dazu braucht es Planung und Durchhaltevermögen.
Wenn du dich aber vorwiegend auf dein Empfinden konzentrierst, darauf wie du dich während oder nach dem Training fühlst und das zum Maßstab deines Trainingserfolges machst, dann siehst du nur das Hier und Jetzt und nicht den Punkt, zu dem du hin willst.
2. Das Gefühl kann trügen
Wenn du dich auf dein Gefühl verläßt, hat dein Empfinden, wie du dich vor dem Training fühlst, oft genug Einfluß darauf, wie sehr du dich an dein Trainingsprogramm hältst: Fühlst du dich gut, legst du womöglich mehr Gewicht auf oder machst mehr Sätze als vorgesehen und schmälerst so evtl. deine Leistungsreserven für direkt folgende Trainingseinheiten. Andersherum, wenn du dich beschissen fühlst vor dem Training, legst du weniger Gewicht auf, läßt vielleicht Übungen weg oder strengst dich weniger an, weil du überzeugt bist, du kannst an diesem Tag eh nur wenig leisten.
Aber oft genug geht trotz Müdigkeit und Unlust richtig viel, wenn du nur die ersten paar Aufwärmsätze hinter dich gebracht hast. Oder es stellt sich heraus, dass du dich auf Grund deines guten Gefühls völlig übernimmst und deine geforderten Wiederholungszahlen nicht bringst. In beiden Fällen behinderst du dein Training und behinderst den oben beschriebenen Prozess, dein Ziel zu erreichen.
Das Prinzip
Ein anderer Aspekt des Trainings mit Gewichten, der mit dem Wort Intensität in Verbindung gebracht wird, sind bestimmte Trainingsarten und –techniken:
Intensitätstechniken
So gibt es aus dem Bereich des Bodybuilding jede Menge sog. Intensitätstechniken. Das sind Art und Weisen, eine bestimmte Übung auszuführen, die es erlauben, einen Muskel oder eine Muskelgruppe länger unter Anspannung zu halten, als es mit der normalen Ausführung der Übung möglich wäre. Von einigen dieser Techniken hast du bestimmt schon gehört:
- Übungen mit Hilfestellungen, bei denen dein Trainingspartner bei der Ausführung der Übung am Ende eines Satzes gerade so viel hilft, dass du noch ein paar zusätzliche Wiederholungen rausquetschen kannst
- Oder Negativ-Wiederholungen, bei denen du das Gewicht nur gegen die Schwerkraft kontrolliert absenkst und dein Trainingspartner dir beim Rest der Bewegung ordentlich zur Hand geht,
- Oder „Drop-Sätze“ bei denen du so viele Wiederholungen machst, wie du kannst und dann direkt im Anschluss Gewicht von der Hantel nimmst, wieder so viele Wiederholungen machst, wie geht, dann wieder eine Hantelscheibe runternimmst usw.
Oder, oder, oder. Es gibt da eine ganze Menge, um die „Intensität“ eines einzelnen Satzes oder einer Übung zu erhöhen. Diese Techniken sind für unsere Zwecke, den Kraftaufbau, aber nur von geringer Bedeutung und höchstens bei Assistenzübungen und Muskelaufbauübungen, die Schwächen ausgleichen sollen, von Interesse: den Muskel möglichst lange und erschöpfend unter Spannung zu halten, um einen Wachstumsreiz zu setzen, ist etwas von dem vor allem Bodybuilder profitieren (die haben diese Techniken ja schließlich auch erfunden).
HIT
High Intensity Training oder auf deutsch Hochintensitäts-Training ist ein Trainingsprinzip mit dem Schwerpunkt Muskelaufbau, das von Arthur Jones erfunden wurde und so schillernde Bodybuilding-Größen wie Mike Mentzer oder Casey Viator auf seiner Seite hatte. Beim HIT wird grob zusammengefaßt von jeder Übung nur ein einziger Satz gemacht, der aber bis zum totalen Muskelversagen (bedeutet, dass du nicht mal mehr das Gewicht kontrolliert absenken können sollst).
Das kann gut funktionieren, aber aus meinen Versuchen mit HIT kann ich sagen, dass es einiges an Erfahrung braucht um so viel Körperbeherrschung zu entwickeln, bis man mit nur einem Satz totales Muskelversagen erreichen kann. Aber auch hier geht es um eine Form der Intensität, die für Bodybuilder von größerem Nutzen ist als für Kraftsportler und die sich auch nicht sinnvoll mit effizientem Krafttraining verbinden läßt.
HIIT
Nein, ich hab nicht aus Versehen die letze Überschrift nochmal verwendet und einen Buchstaben zu viel eingebaut – High Intensity Interval Training (deutsch: „Hochintensives Intervalltraining“) ist eine Form des Ausdauertrainings, das im Gegensatz zu LISS-Training (Low Intensity Steady State, auf deutsch etwa „Niedrige Intensität Gleichbleibender Zustand“) nicht auf lange Trainingseinheiten mit andauernder Belastung (wie Joggen oder Langstreckenradfahren) setzt, sondern auf kurze, knackige Trainingseinheiten w. z. B. (Bergauf-)Sprints, Zirkeltraining oder ähnliches.
HIIT ist nach meinen Begriffen eine sehr gute und zeitsparende Methode, um dein Krafttraining um eine Ausdauerkomponente zu ergänzen und stellt für Laufmuffel wie mich eine praktikable Alternative zum stundenlangen Waldlauf dar.
Die Zahlen
Im Gewichtheben und Kraftdreikampf wird Intensität ganz eindeutig definiert:
Intensität ist der Prozentsatz deines Maximalgewichts für eine Wiederholung (dein „One Rep Max“), den du für eine Übung verwendest.
Wenn du z.B. in drei Trainingseinheiten in der Woche Kniebeugen machst, kannst du montags schwer trainieren und 90 % deines Maximalgewichts auflegen. Du machst damit einige Sätze mit je drei Wiederholungen. Mittwochs gönnst du dir eine leichte Einheit mit 60 % für fünf Sätze mit 10 bis 15 Wiederholungen und am Freitag planst du eine mittelschwere Einheit: 80 %, 5 Sätze, je 5 Wiederholungen.
Du siehst hier zwei Dinge:
1. Mit erhöhter Intensität sinkt auch die Anzahl der Wiederholungen. Eigentlich logisch. Du kannst mit leichtem Gewicht einfach mehr Wiederholungen machen als mit einem schweren (die Anzahl der Sätze dagegen ist davon aber nur bedingt abhängig).
2. Begriffe wie „leicht“ oder „schwer“ werden in diesem Zusammenhang objektiv verwendet und beziehen sich nur auf die Höhe des Gewichts relativ zu deiner Maximalleistung. Wie schwer oder leicht sich die Übung für dich anfühlt ist dabei völlig unwichtig. So kann der oben beschriebene leichte Tag mit seinen 5×15 Kniebeugen sich genau so anstrengend oder sogar anstrengender anfühlen wie die schwere Trainingseinheit.
Viele fortgeschrittene Trainigsprogramme im Kraftsport nutzen solche Prozente der Maximalleistung eines Athleten als Grundlage für den Trainingsaufbau und geben dir präzise Angaben, wann du was machen sollst. Das funktioniert für viele Sportler sehr gut, aber genau so viele Kraftathleten fühlen sich dadurch zu eingeengt: Sie gehen davon aus, dass die eigene Tagesform immer schwankt und man nicht immer die vorgegebenen Prozente erreichen wird bzw. man an manchen Tagen weit mehr leisten kann als vorgesehen. Durch die Erfahrung aus jahrelangem Training und zahlreichen Wettkämpfen können sie das Leistungsniveau ihres Körpers für den jeweiligen Tag schon nach wenigen Sätzen absehen und wählen die Intensität entsprechend.
Beides hat Vor- und Nachteile und es ist sicher interessant für dich, als fortgeschrittener Athlet sich mit diesen Trainingsprinzipien auseinander zu setzen und den richtigen Weg für dich zu finden. Als Anfänger brauchst du dir darüber aber noch keine Gedanken zu machen:
Solange du bei jeder Trainingseinheit deine Gewichte steigern kannst, ist deine Körperkraft bis zur nächsten Trainingseinheit schon wieder soweit angestiegen, dass du die Maximalleistung deines letzen Trainings schon wieder überbieten kannst. Du kämst gar nicht hinterher, dir die Prozentsätze deines „One Rep Max“ zu berechnen, weil es sich nach jeder Trainingseinheit schon wieder nach oben verschoben hat.
Klarheit schaffen
Der Begriff der Intensität hat im Kraftsport verschiedene Bedeutungen und nicht alle sind nützlich. Wichtig ist, dass du weißt, wovon du sprichst, wenn du das Wort „Intensität“ verwendest und dass du verstehen kannst, was andere damit meinen, wenn sie es in Trainingsprogrammen, Diskussionen oder Ratschlägen dir gegenüber verwenden. Ich hoffe, ich konnte dir dafür eine Hilfestellung geben.
Taurus Maximus 12. März 2015 um 19:17 Uhr
mal wieder den Nagel aufn Kopf getroffen!! Danke jungs..
Max 12. März 2015 um 21:42 Uhr
Danke, dir 😉